Herausforderung Gummimischung:  Flüchtige organische Verbindungen und Schwefe

Herausforderung Gummimischung: Flüchtige organische Verbindungen und Schwefe

Eine unangenehme Kombination für Fertigteile

Neulich saß ich neben meinem Kollegen Charles-Henri und bemerkte, dass er chemische Eigenschaften in einer Tabelle verglich und auf einem Block notierte.  Charles-Henri ist unser Chefchemiker und arbeitet oft an neuen Formeln, also habe ich ihn gefragt, was es Neues gibt.  „Eine schwefelfreie Gummiformel mit geringen Ausgasungen“, sagte er.  Da ich seit meinem letzten Jahr in der Oberschule keinen Chemieunterricht mehr hatte, erkannte ich, dass es an der Zeit war, mich weiterzubilden. 

Die erste Frage war, warum man überhaupt eine foggingarme schwefelfreie Verbindung benötigt?  Unter „Fogging“ konnte ich mir schon etwas vorstellen, denn ich habe es schon oft in meinem eigenen Auto erlebt:   Kondenswasser auf der Innenseite der Windschutzscheibe.  Aber Fogging kann auch die Eintrübung oder Verfärbung von Kunststoffen oder Glas durch eine ausgasungsbedingte Alterung bezeichnen.  Dieser Effekt führt dazu, dass sich die Innenseite der Scheinwerfer gelb verfärbt oder die Innenseite der Windschutzscheibe eintrübt.  (Nebenbei bemerkt, kommt es durch den UV-Anteil des Sonnenlichts zur Alterung der Außenseite dieser Teile.)

Neuer und gealterter Scheinwerfer.  Bildnachweis:  AAA (Amerikanischer Automobilverband)

Was also ist Ausgasung?  Unter Ausgasen (auch „Off-Gasing“) versteht man die Freisetzung von Gasen, die in beliebigen Materialien, beispielsweise Kunststoff und Gummi, absorbiert oder gelöst wurden.  Einige dieser Gase, die sogenannten VOC (flüchtigen organischen Verbindungen) und eine Untergruppe, die sogenannten SVOC (halbflüchtigen organischen Verbindungen), können sowohl natürlichen Ursprungs als auch vom Menschen erzeugt und für Mensch und Umwelt schädlich sein.  Beispiele dafür sind Ammoniak, Benzylphthalat, Butanal, Ethanol, Formaldehyd, Schwefelwasserstoff, Methylenchlorid, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid. 

Man könnte vermuten, VOC fänden sich nur in Autoabgasen und Industrieemissionen, aber sie sind auch in diversen Haushalts- und Büroerzeugnissen enthalten, z. B. in Baumaterialien, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, chemisch gereinigter Kleidung, Kopierern und Druckern, Lebensmittelkonservierungsmitteln, Klebstoffen, neuen Schränken, Teppichen und Möbeln, Farben und Abbeizmitteln, Permanentmarkern, Pestiziden, Polyurethanschäumen und Holzlacken, um nur einige zu nennen. 

Es gibt einen zunehmenden Trend zur Verbesserung der Luftqualität durch Begrenzung der Freisetzung von VOC in die Umwelt durch staatliche Vorgaben, wie der REACH-Verordnung der Europäischen Union, und durch freiwillige Beschränkungen seitens der Unternehmen.  Die Covid-Pandemie hat die Notwendigkeit einer verbesserten Luftqualität in Innenräumen verdeutlicht, und eine der einfachsten Möglichkeiten dazu ist die regelmäßige Lüftung der Wohnung und des Büros.

Mehr über REACH:  https://echa.europa.eu/regulations/reach/understanding-reach

Mehr über die Luftqualität in Innenräumen finden Sie bei der U.S. General Services Administration:  https://sftool.gov/learn/about/626/enhancing-health-indoor-air#lever1

Weitere Informationen zur Verringerung der VOC-Belastung finden Sie bei der U.S. Environmental Protection Agency: https://www.epa.gov/indoor-air-quality-iaq/volatile-organic-compounds-impact-indoor-air-quality#Levels

 

AUSGASUNGSARME FORMEL

Zurück zur Formel von Charles-Henri.  Die erste Aufgabe meines Kollegen bestand darin, ein Elastomer (Gummi) zu entwickeln, das die Menge der aus dem Gummi austretenden flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) begrenzt, um den Fogging-Effekt auf der Innenseite von Autoscheinwerfern zu verhindern.  Offenbar können verschiedene Inhaltsstoffe in Elastomermischungen die Ursache für VOC-Ausgasungen sein.  In Frage kommen beispielsweise Weichmacher (zur Verbesserung der Flexibilität), Verarbeitungshilfsmittel (zur Verringerung der Viskosität) oder Ruß (als Gummi-Füllstoff). 

Diese Gase, die nicht aus dem geschlossenen Scheinwerfergehäuse entweichen können, führen zu Verfärbungen des Glases und des Kunststoffs und beeinträchtigen das Erscheinungsbild der Abdeckung.  Vor allem jedoch kann das Licht durch Fogging reduziert und gestreut werden.  Eine schlechtere Sicht kann gefährlich sein.  Das ist wie Fahren im Nebel.  Untersuchungen der AAA (Amerikanischer Automobilverband) ergaben, dass trübe Scheinwerfer nur 20 % der Lichtmenge neuer Scheinwerfer erzeugen, was die Fähigkeit der Scheinwerfer zur angemessenen Ausleuchtung dunkler oder verdunkelter Fahrbahnen erheblich einschränkt.  

AAA klärt über die Gefahren des Fahrens mit trübem Scheinwerferlicht auf:  https://newsroom.aaa.com/2018/12/dangers-driving-cloudy-headlights/

Eingeschränkte Sicht durch trübes Scheinwerferlicht kann gefährlich sein.  Bildnachweis:  AAA (Amerikanischer Automobilverband)

Sinnvoll ist es, den Fogging-Effekt durch Ausgasung zu verringern.  Wo kann man dabei anfangen? 

In einem Kraftfahrzeug gibt es diverse Gummikappen, Dichtungen, Schläuche und Dichtungen, darunter auch Komponenten innerhalb der Scheinwerferbaugruppe.  Die vom Scheinwerfer erzeugte Wärme erhöht die Temperatur in der geschlossenen Baugruppe, was den Ausgasungseffekt verstärkt.  Daher ist die Entwicklung einer ausgasungsarmen Formel (einer sogenannten Anti-Fogging-Formel) für Gummiteile innerhalb dieser Baugruppe nicht nur wünschenswert, sondern für einige Hersteller sogar zu einer neuen Norm geworden.   

Nicht nur die Autohersteller sind besorgt.  Bei jedem Produkt oder Gerät, das mit Gummi in Berührung kommt - sei es eine Parfümflasche, ein Kosmetikprodukt, ein Laserpointer, eine Spritze, ein Lebensmittelbehälter, eine Schutzbrille, die Linse eines Teleskops oder Wein im Karton einer Kiste - kann eine Ausgasung negative Auswirkungen haben und die Eigenschaften und die ordnungsgemäße Verwendung des Produkts beeinträchtigen.

 

SCHWEFELFREIES ELASTOMER

Ich denke, damit ist klar, was unter „Fogging“ zu verstehen ist, kommen wir also zum zweiten Teil der Herausforderung von Charles-Henri - seine Formel auch schwefelfrei zu machen. 

Schwefel ist ein natürlich vorkommendes Element, das sich in Böden, Lebensmitteln, Pflanzen und Rohöl findet.  Denken Sie an einen aktiven Vulkan - Schwefeldioxid (SO2) ist eines der Gase, die am häufigsten bei einem Vulkanausbruch freigesetzt werden.  Schwefel ist nicht immer aggressiv, aber es gibt einige Schwefelverbindungen, die stark ätzend, entflammbar und giftig sind.  Saurer Regen, d. h. Niederschläge, die Wälder, Seen und Bauwerke schädigen, entsteht durch Verbindung von Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxiden NOx (NO und NO2) mit dem Wasser in der Atmosphäre.

Schwefel spielt bei der Herstellung von Kautschuk eine wichtige Rolle, denn bei der Vulkanisierung werden schwefelhaltige Verbindungen verwendet, um die mechanischen Eigenschaften von Naturkautschuk oder Polymeren zu verbessern.  (Es ist nicht die einzige Methode der Gummivulkanisierung, aber die häufigste.)  Schwefel bildet eine Art Brücke, die die Polymerketten vernetzt und so ein stabiles und starkes Elastomer erzeugt.  Vulkanisierte Gummiprodukte sind beispielsweise Reifen, Dichtungen, Schläuche, Hüpfbälle, Radiergummis, Schuhsohlen, Spielzeug und vieles mehr.  Schwefel ist also in diesem Zusammenhang recht nützlich.

Allerdings kann Schwefel bei Metallen wie Silber, Kupfer und Zink durch Korrosion große Schäden verursachen.  Schwefelwasserstoff kann Schmuck, Kupferrohre, Telefone, Spielzeug, Mikrowellenherde, Roboter, Gasturbinen, Rechenzentren, Strommasten, Fahrzeugelektronik angreifen - kurz alles, was elektrische Chips oder Leitungen enthält. 

Das Schwefelproblem ist für die Branchen, in denen wir arbeiten, besonders relevant.  Fast alle elektrischen Verbindungen in modernen Autos haben versilberte Kontakte, beispielsweise die Schalter von Fensterhebern oder Scheibenheizungen, Sitzheizungen oder Musikanlagen.  Der Grund dafür ist die besondere Wärme- und elektrische Leitfähigkeit von Silber. Es ist das leitfähigste Metall und eignet sich daher besonders für Lötmittel, elektrische Kontakte, Schalter und Leiterplatten.

Viele Beleuchtungssysteme enthalten LEDs (Leuchtdioden) mit hoher Lichtausbeute, geringerer Wärmeentwicklung als Glühbirnen sowie sparsamerem Verbrauch und besserer Gestaltungsfreiheit. 

Charles-Henri dazu:  „In neuen Scheinwerfern mit LEDs steckt viel Silber.  Die Beleuchtungssysteme werden durch mehr Elektronik, z. B. zur automatische Dimmung und Richtungsanpassung, heißer.  Einige Modelle verfügen über ein elektrisches Gebläse, das warme Luft in die Scheinwerferbaugruppe bläst, um sie zu entfeuchten und abzutauen.  Das Problem ist, dass bei höheren Temperaturen der Schwefel im Gummi ausgast und Korrosion verursacht.  Und dann ist das Ding kaputt!”

Am häufigsten sieht man Silbersulfid als schwarzen Beschlag auf Silberwaren.  Noch schädlicher ist ein korrosiver Film, der auf elektrischen Kontakten eine Isolierschicht bildet und zu elektrischen Ausfällen großer und kleiner Geräten oder Systemen führen kann.  Silberwhisker entstehen, wenn sich auf der Oberfläche von elektrischen Silberkontakten in einer Atmosphäre mit viel Schwefelwasserstoff und hoher Luftfeuchtigkeit Silbersulfid bildet.  Solche Whisker können schnell „wachsen“, sich lösen und isolierte Leiter überbrücken, was zu einem Kurzschluss und Geräteausfall führen kann. 

  Silberwhisker:  In einem Trennschalter; neu gebildet.  Bildnachweis: NEPP, NASA, U.S. GOVT                  

Weitere Informationen über Silberwhisker von der NASA: https://nepp.nasa.gov/whisker/other_whisker/silver/index.htm

Die Wechselwirkung verschiedener häufiger Gase kann elektrischen und elektronischen Systemen schaden.  Charles-Henri dazu: „Die Herausforderung bestand darin, ein schwefelfreies Elastomer mit geringer Ausgasung zu entwickeln, das dem Bedarf an Kappen für die neuesten Designs und die neueste Generation von Autoscheinwerfern gerecht wird.”  Diese Herausforderung wurde erfolgreich gemeistert, denn mit der ausgasungsarmen, schwefelfreien Gummimischung von Acaplast werden jetzt Scheinwerferkappen für einen europäischen OEM produziert.                          

Charles-Henris aktuelle Herausforderung betraf zwar ausgasungsarmen und schwefelfreien Gummi für die Automobilindustrie, dieselben Probleme entstehen aber auch bei Komponenten vieler anderer Produkte in zahlreichen Branchen - von Kosmetika bis zu Arzneimitteln, von Lebensmittelkontakt bis zur Dosierung.  Ganz gleich, ob es sich um ein kleines, versiegeltes elektrisches Bauteil in einem Haushaltsgerät oder um einen Leistungsschalter in einem Kraftwerk handelt, die Verwendung von Materialien, die die Ausgasung von Schadstoffen reduzieren, kann die Lebensdauer der Produkte verlängern und die Sicherheit erhöhen.  Zögern Sie nicht, sich an Acaplast zu wenden, wenn Sie eine besondere Gummiformel benötigen, und lassen Sie sich eine Lösung „à la carte“ anbieten.

 

 

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